Editorial NACHHALL Nr. 29
„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9)
Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem die BILD-Zeitung titelte: „Wir sind Papst!“. Am Silvestertag des vergangenen Jahres wäre die passende Überschrift „Wir sind tot!“ gewesen. Papst Benedikt XVI. tot, Gott tot, das „Wir“ der Gesellschaft tot. Alles tot!
Aber wir wissen, beginnend mit dem Weihnachtsfest, werden die Tage wieder länger. Das Licht kommt zurück. Die Natur erwacht. Ein Kind ist uns geboren. Die Sonne erwärmt den gefrorenen Boden und neues Leben entsteht.
Vor seiner Wahl zum Papst bin ich Kardinal Ratzinger persönlich begegnet. Das Bild, das die Presse damals vom „Panzerkardinal“ zeichnete, stimmt so gar nicht mit meinen eigenen Beobachtungen und Gefühlen überein. Er war demütig und bescheiden, stand fest im Glauben und vertrat seine Meinung mit Nachdruck, aber nicht unnachgiebig.
Der Gedenkgottestdienst für den verstorbenen Papst in München wurde von der ARD übertragen. Kardinal Marx sprach in seiner Predigt vom „Suchen und Finden“. Mit dieser Bewegung beschrieb er das Leben des Papstes – aber sie gilt für jedes gelingende Leben. Und wir suchen und finden nur gemeinsam, z. . die Einheit in der Kirche, den Zusammenhalt in der Gesellschaft oder das große Mysterium Gott, Natur, Gaia!
Es mutet wirklich grotesk an, dass immer mehr Menschen glauben die Wahrheit endgültig gefunden zu haben. Einmal gefunden verharren sie in ewiger Starre. Technisch, wissenschaftlich und materiell mit Studien, Mehrheiten und Theorien belegen sie ihre Meinung und kommen zu dem (selbstmörderischen) Schluß, nicht mehr suchen zu müssen. Schlimmer noch, sie verurteilen all jene, die selbst suchen wollen.
Wir müssen immer und zu jeder Zeit bereit sein, NEU zu suchen und zu finden. Im katholischen Glauben genauso wie in der Liebe zum Partner, in der Politik wie im Umgang mit einem Agressor oder Virus! Der „deutsche“ Papst hat seine Unfehlbarkeit nicht mit Panzern verteidigt, er hat seine Macht freiwillig und selbständig abgegeben. Ruhe in Frieden!
Das Titelbild der Künstlerin Andrea Kling illustriert für mich dieses lebensbejahende Konzept: die ewige Sinnsuche, das Kreisen um sich selbst, die Verbindung von unerklärlichen Wundern und irdischer Überheblichkeit!
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