Editorial NACHHALL Nr. 34
Von Hunden und Kindern – oder sind Hunde die besseren Menschen? Ein Rundgang in der Nachbarschaft als Abbild unserer Gesellschaft.
Bei uns um die Ecke, direkt an der nächsten U-Bahn-Station gelegen, hat ein Hunde-Friseur-Salon eröffnet. Vor Corona war dort einige Jahre unsere Bank. Wir konnten kostenlos Bargeld abheben. Dann kam „Test Fest“, ein findiger Manager der Eventbranche, betrieb Corona-Testzentren und bot Massentests vor Veranstaltungen an. Jeder Test ein Fest! Für die Kinder gab es Luftballons. Immerhin.
Im Briefing von Gabor Steingart lese ich, dass ein Hund bei einer Lebenserwartung von 13 Jahren rund 16.200 EUR kostet. Bei einem Hamster sind es nur noch 490 EUR, der stirbt bereits nach 2 Jahren und zum Friseur muss der wohl auch nicht.
Ein paar Meter weiter haben wir bereits eine Hundeboutique. Dort lassen sich feinste Leckerli und Nahrungsergänzung für den geliebten Vierbeiner erwerben. Zum Beispiel: Leo Löwenherz – Immunkräuter für €13,90 oder BeG Buddy – Eispulver mit Banane und Blaubeere für €8,95.
Einer der neuen Verkäufer dort, hat früher an der Grundschule Kinder, die Hilfe benötigten, im Unterricht begleitet. Aber auch alle anderen Kinder haben profitiert. Er war einfach da, hat mit den Kindern auf Augenhöhe gesprochen und ihnen Integration vorgelebt. Bei Klassenfahrten war auch ein männlicher Begleiter notwendig. Dann musste er aus finanziellen Gründen zum „Strauchdieb®“ wechseln und verkauft jetzt Luxushalsbänder für Kaiserpudel, Labrador und Zwergpinscher.
Es gibt bei uns im Viertel noch einen Laden für Hörgeräte und zwei Weinhandlungen. Aufgeben mussten hingegen sowohl das Kinderschuh- als auch das Sportfachgeschäft. Die Friseure wollen verständlicherweise lieber Seniorinnen mit Dauerwelle für €100 anstatt kleine zappelnde Kinder für €20 schneiden. Mein Sohn sieht deshalb aus wie Simson und mit zunehmender Haarpracht wird er stärker. Seine Art des Boosters gegen Viren, die Chancen stehen gut, dass er das gesamte erste Schuljahr ohne Infekt übersteht!
Oder ist das sein stiller Protest gegen die Verrücktheit der Gesellschaft? Was sind uns Kinder noch wert? Und wie behandeln wir Kinder im Unterschied zu Haustieren? Bewegung, Ernährung, Erziehung! Ich wage die Behauptung, dass es den Hunden besser geht. Sollen sie doch in Zukunft meine Rente bezahlen, dann kann ich mir so ein schickes, kleines Gerät ins Ohr stecken und anschließend das Haar beim Friseur tönen und locken lassen. Den Rest versaufe ich oder investiere in Whisky. Wie sagte schon Loriot: Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos!
Wau, wau, auuuu
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