Ich bin Guttenbergs Ghostwriter
Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg schreibt ein beachtenswertes Tagebuch auf LinkedIn. Eine Wiedergeburt oder alter Wein aus neuen Schläuchen? Deshalb habe auch ich einmal im Sellfisch-Archiv gefischt.
Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg schreibt wieder. Keine Doktorarbeit. Tagebuch. Auf LinkedIn bin ich nun schon mehrfach über seine Texte gestolpert – oder wurde vom Algorithmus dazu genötigt. Das mit dem Nudging (Schubsen) ist so eine Sache, aber die Tagebücher gehören seit langem zu den angenehmsten!
“Montagmorgen. Ein Flug von New York nach Austin. Spät gebucht, Mittelplatz. Die linke Armlehne fällt dem Gegenbeweis amerikanischer Schlankheitsideale zum Opfer. Joshua, so stellt er sich vor, wiegt mindestens 150 Kilo und hat eine Stimme, die mühelos bis in die letzten Reihen trägt. Noch vor dem Abheben öffnet er mit einem tiefen Seufzer die Papiertüte einer bekannten Burgerbraterei.”
Quelle: LinkedIn
In diesem Stil schreibt GT flott weiter und weiß mit seinem Schlusssatz zu überraschen. Ja, manches polarisiert und pauschaliert, aber regt eben auch zum Nachdenken an. Ich freu über dieses Comeback und auf weiteres …
Interessant sind auch die Kommentare und der souveräne, leicht humoristische Umgang Guttenbergs mit seinen Lesern.
Auf jeden Fall hat mich der “Montagmorgen” und Thomas Moellers Kommentar dazu (siehe Screenshot) inspiriert, einmal ins Archiv hinabzusteigen und einen eigenen Text hervorzuholen. Besonders gefreut und berührt hat mich die Tatsache, dass schon damals etwas ganz am Rande angeklungen ist, das sich heute (nur zwölf Jahre später) aktueller liest denn je:
Das Internet als unerschöpfliche Quelle von Texten, Musik und Bildern ist nicht kontrollierbar. Kein Mensch kann sagen, ob ein Satz in einem Artikel der FAZ von dem entsprechenden Autor so gedacht wurde, oder ob er aus einer Pressemeldung eines Pharmakonzerns kopiert wurde, der diesen wiederum einer in Auftrag gegebenen Studie entnommen hat. Eine solche fehlende Fußnote hat vielleicht eine viel größere Auswirkung auf tausende von Menschen, die sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen oder nicht. Von den Kosten für das Gesundheitssystem einmal ganz abgesehen.
Mein Buch zur “unerschöpflichen Quelle” Alice im Neuland können Sie hier bestellen. Einen aktuellen Kommentar zum Thema “genbasierte” Impfstoffe und Corona lesen Sie hier.
Und jetzt folgt das alte Schätzchen;-)
Ich bin Guttenbergs Ghostwriter
By sellfisch On 21. Februar 2011
Nachdem mein guter Freund Karl-Theodor wegen seiner Doktorarbeit in der Kritik steht, muss ich bekennen: ich bin Guttenbergs Ghostwriter. Tatsächlich bin ich so etwas wie ein Neuronen-Hacker. Ich teile meine Gedanken den Menschen mit und bleibe doch unsichtbar. Es ereignete sich, dass auf des lieben Karl-Theodors Schreibtisch eine Kristallkugel stand, dieselbe er als Briefbeschwerer verwendete. Auf der Suche nach einem Medium bemächtigte ich mich der Kristallkugel und als Karl-Theodor seine Doktorarbeit schreibend dort hineinblickte, so sah er meine Gedanken und hörte meine Stimme. Ich will ehrlich sein, ich las ihm zuweilen aus der FAZ und anderen Quellen vor. Die Übermittlung der Fußnoten gelang mir dabei nicht immer eindeutig, vielleicht vergaß seine Frau Stephanie die Kugel zu entstauben. Selbstverständlich nahm ich keinen Lohn für meine Arbeit, sein demütiger Dank war mir genug.
Was mich nun brennend interessiert, wer stahl noch mein geistiges Eigentum? Könnten mir nicht all die eifrigen Plagiats-Jäger im Internet helfen, die wirklich großen Verbrechen des Ideen-Klaus aufzuklären? Was ist zum Beispiel mit Jesus Christus? Hat er nicht auch ausschließlich kopiert und zitiert? Oder der Prophet Mohammed?
Und die zweite große Frage, die sich die Menschen stellen sollten: Muss das Urheberrecht im Zeitalter der Digitalisierung und der weltweiten Vernetzung nicht neu definiert werden? Es sei an dieser Stelle auf die Aktion eines Berliner Komponisten hingewiesen, der aus 70.200 Fremdzitaten eine eigene Komposition mit einer Dauer von 33 Sekunden hergestellt hat. http://www.kreidler-net.de/productplacements.html
Das Internet als unerschöpfliche Quelle von Texten, Musik und Bildern ist nicht kontrollierbar. Kein Mensch kann sagen, ob ein Satz in einem Artikel der FAZ von dem entsprechenden Autor so gedacht wurde, oder ob er aus einer Pressemeldung eines Pharmakonzerns kopiert wurde, der diesen wiederum einer in Auftrag gegebenen Studie entnommen hat. Eine solche fehlende Fußnote hat vielleicht eine viel größere Auswirkung auf tausende von Menschen, die sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen oder nicht. Von den Kosten für das Gesundheitssystem einmal ganz abgesehen.
Gibt nicht jeder, der etwas ins Internet stellt, den Inhalt zur weltweiten Verwendung frei? Und dabei macht es keinen Unterschied, da nie zweifelsfrei nachweisbar, ob es der Autor selbst oder ein Pirat veröffentlichte. Viel wichtiger ist doch die Frage, was mit den digitalen Fundstücken passiert. Der Kunst wird da viel mehr Freiheit eingeräumt, als einem Doktoranden, der nichtkommerziellen Auswertung mehr als der profitorientierten. Wenn aus vielen kleineren Versatzstücken eine neue Gattung und ein eigenständiges Werk geformt werden, so ist daran nichts Ehrenrühriges. Ein zitierter Zeitungsartikel in einer Doktorarbeit, ist ein wissenschaftlicher Fehler, macht diese aber noch lange nicht zu einem Plagiat.
Vielleicht müssen sogar die Regeln für das Erstellen von wissenschaftlichen Arbeiten einmal überarbeitet werden. Was bedeutet schon eine URL? Heute gültig, morgen schon ein 404-Error. Auch wenn eine Arbeit aus Internet-Quellen zusammenkopiert ist, kann sie in der Gesamtschau etwas Neues und Originelles darstellen. Meine Gedanken sind überall und ich will, dass die Menschen sie weiterdenken. So habe ich mich dem Moses im Dornbusch offenbart und ihm am Berg Sinai die 10 Gebote diktiert. Darin heißt es: du sollst nicht stehlen, aber auch: du sollst nicht neidisch sein auf den Erfolg deines Nächsten. Freut euch über euren Pfundskerl und Politstar Karl-Theodor, aber heiligt a bissl mehr meinen Namen!
Euer Vater allen geistigen Eigentums
P.S. Sollte sich jemand durch inkorrektes Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten verletzt fühlen, so tut mir dies aufrichtig leid.
Dieser Artikel erschien zuerst 2011 auf meinem alten Blog Sellfisch, ich werde peu à peu alle Artikel auf Substack umziehen.