Die Wahl der richtigen Strassenseite ist entscheidend. Meine Großeltern und Geschichtslehrer warnten. Ihre Erzählungen von einem Unfall, der sich auf der rechten Strassenseite ereignet hatte, haben mich überzeugt. Die Schuld war bewiesen.
Ich wähle seitdem die linke Strassenseite. Dort fühle ich mich sicher. Und meine Angst, in einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, war bisher unbegründet. Die linke Seite ist sicher und wirksam. Ich nehme so auch eine Vorbildfunktion ein, andere Fußgänger wechseln die Strassenseite. Wir Linksgehenden sind außerdem solidarisch, die rechts werden schon sehen.
Dann ereignete sich neulich doch ein Unfall. Direkt vor meinen Augen wurde ein Kind angefahren. Das Auto kam von rechts, natürlich! Mir ist Gott sei Dank nichts passiert, ich war ja auf der richtigen Seite unterwegs. Dennoch habe ich etwas gezweifelt. Dieser Unfall hätte nicht geschehen dürfen. Ich habe doch vorgesorgt!
Die Wissenschaft kann Auskunft geben. Ich habe Statistiken studiert. Und es ist ganz eindeutig: Die meisten Verkehrsunfälle, in denen Fußgänger schwer oder lebensgefährlich verletzt werden, passieren auf der rechten Strassenseite. Ich war beruhigt. Links ist das Risiko geringer. Etwas.
Doch dann wollte ich es noch genauer wissen. Mein persönliches Risiko minimieren. Im Internet wurde ich fündig. Man glaubt kaum wieviele Foren sich mit dem Thema beschäftigen. Fortan lief ich nur noch mit Helm, Atemschutzmaske und Warnweste mitten auf der Strasse. Laut Wissenschaft, Statistik und Wikipedia eine hundertprozentige Sicherheit. Sie hatten recht.
Den Rest meines Lebens verbringe ich fernab gefährlicher Autos und Mitmenschen, die rechts oder links gehen wollen. Die Menschen hier sind alle glücklich und zufrieden. Wir werden beschützt. Die einen nennen diesen Ort „geschlossene Anstalt“, andere reden von „Klapse“. Sollen sie doch reden!
Pauls kurzer und pointierter, mal satirischer oder polemischer, journalistischer Meinungsbeitrag zum Thema Corona.
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