Editorial NACHHALL Nr. 33
Was nach dem Getöse des ESC haften blieb? Ein bisschen Liebe, ein bisschen Tatoo, Hauptsache laut und schrill, am Ende gewinnt die Musik (und Schweden).
Eigentlich wollte ich über Meinungsfreiheit schreiben: über Twitter, Musk und Carlson, den widersinnigen Kult um Personen und in Blasen. (Siehe mein Blog hier „Im Haifischbecken“)
Jetzt bleibe ich beim Nachhall. Gestern fand in Liverpool der European Song Contest 2023 statt. Die vorgetragenen Lieder waren lautstark und wurden von einer gewaltigen Licht- und Bühnenshow begleitet. Die Sänger und Sängerinnen waren geschminkt und verkleidet, als zählte weniger die Stimme als das Erscheinungsbild. Ich wollte sofort ausschalten und das alte Lied vom Kulturverfall singen, den peinlichen Kommentator und die Inszenierung der öffentlich-rechtlichen Sender verurteilen.
Dann aber habe ich mich auf das Gute besonnen. Die Menschen wollen über Landesgrenzen hinweg gemeinsam feiern und die Sorgen des Alltags vergessen. Was früher vielleicht den Kirchen noch gelang, Alte und Junge, Reiche und Arme, Kranke und Gesunde zu versammeln, das gelingt heute fast nur noch der Musik!
Hinter dem Spektakel verbirgt sich eine große Sehnsucht nach etwas Transzendentalem. Die diesjährige Siegerin, die Schwedin Loreen, hat diesem Wunsch wohl am besten entsprochen. „Nein, ich kümmere mich nicht um sie alle / Denn alles, was ich will, ist, geliebt zu werden / Und alles, was mir wichtig ist, bist du / Du klebst an mir wie ein Tattoo“
Der Beitrag der Ukraine wirkte wie in Hollywood geboren. Ein weißer und ein schwarzer Sänger zelebrierten den Transhumanismus. Selenskyj durfte kein Grußwort sprechen. Trotzdem war die Ukraine, als Titelverteidiger und Gastgeber allgegenwärtig. Nein, ich kümmere mich nicht um sie alle!
Und Deutschland? Das Land der Dichter und Denker, der Autoingenieure und selbsternannten Vorreiter in Sachen Klima- und Coronaschutz landete auf einem guten letzten Platz. Der Bandname sagt schon alles: „Lord Of The Lost“. Europa wählt für Schweden! Alles, was ich will, ist, geliebt zu werden.
Wer erinnert sich noch an den deutschen Siegesbeitrag beim ESC 1982? Dieses harmlose Liedchen von Nicole darf gerne nachhallen: „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Träumen / Und dass die Menschen nicht so oft weinen / Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe / Dass ich die Hoffnung nie mehr verlier“
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