München, 12. Januar 2021
Nachdem meine Frau gestern Nacht noch eine (reine Text) E-Mail an alle Eltern der 3. Klasse geschickt hatte mit dem Link zum heutigen Meeting, hat die Videokonferenz mit der Lehrerin tadellos funktioniert. Parallel habe ich im falschen, virtuellen Klassenzimmer auf verirrte Kinder gewartet und diese, bzw. die unwissenden Eltern, in den “richtigen” Raum verwiesen. Aufklärung zu dem bekannten Problem der verschiedenen Räume in Jitsi-Meet habe ich hier (Teil 2) veröffentlicht.
Auch bei meinem Großen lief mebis offensichtlich besser. Jedenfalls kamen bisher keine Klagen. Jetzt ergeben sich wieder neue Probleme, deren Lösung ich hoffentlich in den nächsten Tagen auch an dieser Stelle, liefern kann. Mein Sohn nutzt ein aktuelles iPad um auf mebis zu lernen. Die Arbeitsaufträge sind dort oft als PDF abgespeichert. Diese müssen ausgedruckt und ausgefüllt werden. Als mein Sohn nun versuchte das PDF direkt vom iPad auszudrucken… (siehe Teil 4: Wo steht der AirPrint Drucker?)
Ääähhhhmm! Da nutzt auch ein Dipl.-Ing. (FH) Medientechnik nichts. Eine kurze Google-Recherche half erstmal wenig, also Workaround ausdenken, neudeutsch “improvisieren”. Er schickt mir die Dokumente per E-Mail und ich druck sie dann aus. Liegen jetzt immer noch im Drucker;-)
Die Kinder haben den Lieferdienst schon so verinnerlicht, dass ich aus meinem Homeoffice ausbrechen muss, um meinem Sohn die über mebis bereitgestellten Dokumente in sein Kinderzimmer zu liefern! Mach ich gerne, hält fit.
An dieser Stelle sei zum Schmunzeln folgender Artikel des Postillions verlinkt
Nach monatelangem Homeschooling: Erste Eltern werden verbeamtet
Internet und Demokratie
Gestern hat mich noch ein Kommentar zu meinem Blog aufgeschreckt. Ich würde Fakten falsch darstellen und mich über das staatliche Schulsystem erheben. Das war natürlich nicht meine Intention. Ich gebe gern zu, nicht alles zu wissen und freue mich über jeden Hinweis auf Fehler in meiner Argumentation.
Vielleicht helfen andere Stimmen zwei meiner Grundthesen zu erklären und viele Leser zu Antithesen herauszufordern. Die Synthesen werden uns und unseren Kindern in der Zukunft helfen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit verschwörungs-theoretischem Gedankengut zu tun. In unserer Demokratie sollte jede These überprüft werden dürfen und auch Antithesen zugelassen werden. Nur so ist echter Fortschritt möglich.
Gestern fand ich bei LinkedIn zum Hashtag #distanzunterricht folgendes Interview der WirtschaftsWoche mit Kathrin Röschel, Schulleiterin der Deutschen Internationalen Schule im Silicon Valley:
„In Deutschland wartet man auf die Zukunft, statt sie anzugehen“
Die Zitate von Frau Röschel geben ganz gut wieder, was auch mir wichtig ist. Leider werden diese Punkte bisher zu wenig diskutiert. Es geht immer nur um das Funktionieren der Technik. Aber wozu?
“Guter Digitalunterricht bedeutet aber, dass die Medien und Plattform einen Mehrwert beim Lernen bringen sollen. Richtig eingesetzt, ermöglichen sie individuelleren und kreativen Unterricht, in dem ich Schülern je nach Fortschritt eigene Lernpakete zusammenstellen kann oder Medien kreativer genutzt werden.”
Im Distanzunterricht erkenne ich bisher leider einen Rückschritt in Sachen individueller und kreativer Förderung. Der oft kritisierte Frontalunterricht ist zurück. Die Kinder haben keine Möglichkeiten selbstbestimmt zu lernen oder kreative Lösungen anzubieten. Sie können sich auch nicht mit ihrem Banknachbarn oder Mitschüler*innen austauschen. Insbesondere tritt das immer wieder zu Tage, wenn die Aufgaben in Schulbüchern oder Arbeitsblättern zur Teamarbeit anregen und mein Sohn dann ratlos neben mir steht: “Mit wem soll ich das jetzt besprechen?”
“Im Idealfall kombinieren wir künftig das, was wir uns jetzt über die technischen Mittel und Plattformen angeeignet haben mit der klassischen Didaktik und Pädagogik, um neue Unterrichtsformen auszuprobieren. Darauf muss man aber Lust haben – sonst bringt der Digitalpakt nichts. Deshalb hoffe ich auch, dass er zur Aus- und Fortbildung der Lehrer genutzt wird, dass Didaktik für den Einsatz digitaler Medien künftig Pflichtfach ist.”
Gerade deshalb glaube ich auch, dass die Schulen mehr Autonomie benötigen. Die Schulen müssen Vor-Ort mit der ihnen zur Verfügung stehenden Technik und mit ihren Lehrern (unter Einbeziehung der Eltern) digitale Lösungen erarbeiten und einüben, die wirklichen Mehrwert schaffen können. Gerade das Internet lebt von dezentralen Strukturen und hat immer etwas provisorisches, es ist niemals fertig, es lädt täglich dazu ein, gestaltet zu werden.
Ich vergleiche das Internet (Neuland) gerne mit einem Garten. Die Erde muss fruchtbar gemacht werden. Es müssen Pflanzen gesät und bewässert werden. Und dann freut sich jedes Kind, wenn etwas geerntet werden kann. Der Lerneffekt ist aber nicht das Ernten, sondern der Weg dorthin. Dabei muss kein Lehrer Gott spielen und die Kartoffeln vom Supermarkt in die Erde stecken. Alle sind Gärtner und ob am Ende Kartoffeln wachsen liegt an Vielem – letztlich bleibt es ein Wunder!
Die Verschwörungstheorie kam dann heute morgen in Form des Morning Briefings von Gabor Steingart. Dabei handelt es sich um die Gesetze des Marktes. Um es klarzustellen, ich bekenne mich ausdrücklich zur Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft.
Die Digitalkonzerne wollen mit der Verstummung von Trump nicht die Demokratie retten, sondern ihre Geschäftsmodelle. Diese zielen auf die Errichtung technologisch basierter Monopole ab.
Gabor Steingart benennt 5 Gründe für die Gefahr durch die Übermacht der großen Vier (Google, Amazon, Facebook, Apple). Interessanterweise übersieht Steingart den fünften im Bunde, nämlich Microsoft (vgl. dazu mein Buch “Alice im Neuland”). Ich erlaube mir seine Argumentation in leicht gekürzter Version wiederzugeben, weil sie so ungeheuer wichtig ist. Jeder, der über Digitalisierung nachdenkt, sollte diese Punkte kennen und abwägen:
Facebook (mit Instagram und WhatsApp) bildet zusammen mit Twitter faktisch ein Meinungs-Duopol, zusammen erreichen sie rund 2 Milliarden aktive Nutzer täglich. Auch wenn die Meinungsfreiheit eigentlich von der Verfassung garantiert wird, können diese Plattformen natürlich Meinungen manipulieren oder unterdrücken. Dies kann absichtlich durch das Netzwerk selbst erfolgen, automatisch durch Algorithmen oder von außen mittels Trollen und Bots.
Der Datenschatz der großen Digitalkonzerne ist gewaltig. Allein die Suchmaschine Google verzeichnet rund 3,5 Milliarden Suchanfragen täglich also über 100 Milliarden Suchen im Monat. Diese Daten treiben fast alle anderen digitalen Geschäftsmodelle an und werden von den jeweiligen Anbietern mit eigenen Daten verknüpft und zu Geld gemacht. Im Internet ist nichts kostenlos, wir alle bezahlen mit unseren Daten.
Der Online-Handel boomt, allen voran die drei Konzerne Amazon, Ebay und Paypal, die im dritten Quartal allein einen sagenhaften Umsatz von 104 Milliarden Dollar erwirtschafteten. Dieses Geld wird nicht nur dem stationären Einzelhandel entzogen, es fehlt auch den Städten und Kommunen als Steuereinnahmen. Gleichzeitig lockt der Online-Handel mit Dauertiefpreisen, permanenter Verfügbarkeit und bequemer Lieferung immer mehr Kunden.
Die Finanzmacht der GAFA-Konzerne (Google, Amazon, Facebook, Apple) ist abenteuerlich, an der Börse sind diese vier zusammen rund 5,7 Billionen Dollar wert, also ungefähr das anderthalbfache des deutschen Sozialproduktes. Vergleicht man diese Finanzmacht mit ehemaligen Weltkonzernen wie VW (101,5 Mrd. Dollar) oder Nike (230,9 Mrd. Dollar), erscheinen diese wie Zwerge.
Im Silicon Valley ist damit ein politisches Gravitationszentrum neuen Typs entstanden. Die demokratisch gewählten Staaten haben ein Legitimations- und ein Durchsetzungsproblem. Sie können diese neue Macht nicht mehr kontrollieren, sondern haben sich erpressbar gemacht. Wem die Digital-Konzerne ihre Gunst und Steuermilliarden schenken ist nicht ausgemacht und folgt keinem Links-Rechts-Schema mehr.
Das Fazit von Gabor Steingart:
Der demokratische Rechtsstaat sollte sich seiner Haut wehren. Und die Opfer von Datenklau und Meinungsmonopoly sollten aufhören, ihre zu Geld gekommenen Täter als Internet-Gurus zu bewundern.
Vielleicht versteht man meinen Erfahrungsbericht vom ersten Tag Distanzunterricht zum Thema “Datenschutz” nun etwas besser. Ich weiß es bestimmt nicht besser! Ich habe auch nichts gegen die Firma Microsoft oder gegen die Person Bill Gates, ganz im Gegenteil. Ich nutze Microsoft Produkte und verehre Bill Gates als herausragenden Unternehmer und vorbildlichen Philanthropen.
Ich möchte auch nicht als Reaktionär verstanden werden. Fortschritt ist unsere einzige Chance. Aber viele Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir steuern auf eine Klippe zu…
Eine (meine) Lösung liegt im Diskurs (Habt keine Angst!), im Zusammen-Kommen (Get Together!) und im Suchen nach neuen Wegen!